Journalisten in Krisen- und Kriegsgebieten leben immer mit einem erheblichen Berufsrisiko. Kriegsführende Parteien missachten nur allzu häufig Vereinbarungen zum Schutz der Medienmacher - selbst da, wo internationales Recht eigentlich Schutz garantieren soll. Die Berichterstatter und ihre Mitarbeiter gehen außerordentliche Gefahren ein, um die Öffentlichkeit über das Geschehen zu informieren.
Wir halten es daher für wichtig, dass sie ein gewisses Mindestmaß an Schutz und Sicherheit genießen - ohne dass dieser Anspruch für das Militär oder Regierungsbehörden einer Kriegspartei als Vorwand dient, die Berichterstattung zu beschränken, zu verbieten oder zu beeinflussen.
Die Verantwortlichen in den Medienunternehmen stehen selbst in der Pflicht, die Arbeitsrisiken ihrer Mitarbeiter zu verringern und Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.
Die folgenden acht Grundsätze sollen dabei Anwendung finden:
1. Grundsatz: Verpflichtung
Medien, staatliche Institutionen und die Journalisten selbst sollten alle wichtigen Informationen untereinander austauschen und systematisch nach Wegen suchen, um die Risiken zu begrenzen, die mit einem Einsatz in Kriegs- und Krisengebieten verbunden sind. Solche Einsätze von freien oder fest angestellten Journalisten, ihren Mitarbeitern, Stringern vor Ort und sie begleitenden Personen verlangen eine angemessene Vorbereitung, Schulung, Versicherung und Ausrüstung.
2. Grundsatz: Freiwilligkeit
Bewaffnete Konflikte bedeuten für Medienschaffende die Übernahme von Risiken und ein persönliches Engagement. Dessen müssen sie sich bewusst sein, so dass Einsätze in Kriegsgebieten nur auf streng freiwilliger Basis stattfinden dürfen. Aufgrund der Risiken muss jeder das Recht haben, eine Entsendung ohne Angabe von Gründen abzulehnen, ohne dass ihm oder ihr dies negativ angerechnet wird. Ein Einsatz muss auf Wunsch des Journalisten wie des Mediums abgebrochen werden können. Auf die Reporter darf keinerlei Druck ausgeübt werden, damit sie zusätzliche Risiken auf sich nehmen.
3. Grundsatz: Erfahrung
Die Berichterstattung über bewaffnete Konflikte verlangt besondere Erfahrungen und Fähigkeiten. Deshalb sollten die Redaktionen dafür nur solche Personen auswählen, die erfahren und mit Krisen- und Kriegssituationen vertraut sind. Wer zum ersten Mal in ein gefährliches Gebiet fährt, sollte dies in Begleitung eines erfahreneren Kollegen tun. Vor Ort gilt: Teamarbeit ist zu favorisieren. Die Redaktionen sollten sich nach der Rückkehr der Journalisten systematisch über ihre Erfahrungen informieren lassen, um daraus zu lernen.
4. Grundsatz: Vorbereitung
Eine regelmäßige Vorbereitung auf das Verhalten in Gefahrensituationen hilft, die Risiken zu mindern. Die Redaktionen müssen ihre Reporter - ob Angestellte oder Freelancer - über entsprechende Kurse qualifizierter nationaler und internationaler Veranstalter informieren und ihnen die Teilnahme daran ermöglichen. Alle Journalisten, die in gefährlichen Gebieten arbeiten, sollten einen Erste-Hilfe-Lehrgang absolviert haben. Auch Journalistenschulen müssen diese Problematik in ihrer Ausbildung thematisieren.
5. Grundsatz: Ausrüstung
Die Redaktionen müssen ihre Reporter in Krisengebieten mit der erforderlichen Sicherheitsausrüstung ausstatten, gegebenenfalls mit kugelsicheren Westen, Helmen und, wenn möglich, mit gepanzerten Fahrzeugen, außerdem mit den notwendigen Kommunikationsmitteln (z.B. Peilsendern) und einem Erste-Hilfe-Kasten.
6. Grundsatz: Versicherung
Journalisten in Krisengebieten und ihre Begleiter sollten für den Fall von Krankheit, Rückführung in die Heimat, Erwerbsunfähigkeit und Tod abgesichert sein. Ihre Medien müssen dies sicherstellen, bevor sie jemanden in ein Krisengebiet schicken oder dort engagieren. Dabei sollten alle geltenden berufsspezifischen Konventionen und Verträge strengstens eingehalten werden.
7. Grundsatz: Psychologische Betreuung
Journalisten und ihre Begleiter sollten, sofern sie dies wünschen, nach ihrer Rückkehr aus einem Krisengebiet oder nach der Berichterstattung über traumatisierende Ereignisse psychologisch betreut werden.
8. Grundsatz: Juristischer Schutz
Journalisten in Krisengebieten gelten nach Artikel 79 des Ersten Zusatzprotokolls der Genfer Konvention als Zivilisten, sofern sie sich nicht in einer Weise verhalten, die zur Aberkennung dieses Status führt, wie etwa: direkte Unterstützung von Kriegshandlungen, Tragen von Waffen oder Spionage. Jeder vorsätzliche Angriff auf einen Journalisten, der dessen Tod oder schwere Verletzungen zur Folge hat, ist ein Verstoß gegen das Erste Zusatzprotokoll und gilt als Kriegsverbrechen.
Quelle: Journalisten ohne Grenzen e.V.