Ist künstliche Intelligenz, die Bilder erschafft, nur ein neuartiges Werkzeug, oder ist sie ein eigenständiger Akteur? Hilft sie Menschen, ihre Kreativität zu entwickeln, oder macht sie uns überflüssig? Ist das, was sie hervorbringt, bloßer Kitsch, oder kann es auch Kunst sein? Viele wichtige Fragen – und Versuche, darauf Antworten zu finden.
Von Doc Baumann
Angefangen hat es vor langer Zeit damit, dass ich mit dem Bleistift Bilder zeichnete. Im Alter von fünf Jahren habe ich erstmals darüber nachgedacht, was ein Bild überhaupt ist: Da hatte ich aus einem Comic-Heft einen perspektivisch dargestellten Sessel ausgeschnitten, der in der gezeichneten Szene noch unübersehbar fest in einem Zimmer gestanden hatte – und ich war völlig verzweifelt, weil er anschließend nicht ebenso fest auf der Tischplatte stehen wollte, sondern immer wieder umfiel.
So fing es an. Und es endete nach Kunststudium, kunstphilosophischer Dissertation, 40 Jahren praktischer Erfahrung mit digitaler Bildbearbeitung und einem knappen Jahrzehnt Beschäftigung mit Bild-KI nun mit einem Buch, in dem ich versucht habe, das, was ich über Bilder und Kunst weiß, mit dem zusammenzuführen, was KI in diesem Bereich leistet.
Um Kunst geht es dabei nur im letzten Teil. Bis dahin befasse ich mich nur mit Bildern. Das tue ich deswegen, weil ich es oberflächlich fand, dass nahezu alle bisher erschienenen philosophischen Untersuchungen über KI-Bilder diese kurzschlüssig dafür kritisieren, dass sie den Anforderungen an Kunstwerke (angeblich) nicht genügen. Das ist etwa so, als beklage man, dass ein linksbündig mit etlichen kurzen Zeilen beschriebenes Blatt mangels Versmaß, Reimschema und inhaltlicher Konsistenz ein miserables Gedicht sei – dabei aber unberücksichtigt lässt, dass es sich lediglich um eine Einkaufsliste handelt.
Mein Ansatz lässt sich knapp zusammenfassen: Kennt man die Entstehungsgeschichte eines Bildes nicht und hat nichts anderes als dieses selbst als Gegenüber, ist es sinnvoll, nur seine sichtbaren Eigenschaften zu berücksichtigen und zu bewerten. Fällt das Urteil positiv aus, stellt sich die Frage, warum solche Bilder anders behandelt werden sollten als traditionell entstandene, sobald man weiß, dass sie dank einer KI entstanden sind.

Eine geradezu „geniale“ – im Prompt nicht verlangte – Interpretation des kunstwissenschaftlichen Begriffs „Bildträger“ als materielle Basis des erscheinenden Bildes liefert diese Umsetzung in Ideogram
Geht es dabei gar um „Kunst“, lässt sich das Ganze auf den kurzen Dialog des Detektivs Spooner mit dem Roboter Sonny aus dem Film „I, Robot“ reduzieren: „Du bist nur eine Maschine, eine Imitation des Lebens. Kann ein Robot ’ne Symphonie schreiben? Kann ein Robot ein Stück Leinwand in ein Meisterwerk verwandeln?“ – Roboter Sonny: „Können Sie’s?“ Der Vorwurf an KI, sie könne nur erlernte Elemente ihres Trainingsmaterials rekombinieren und nichts eigenständig Neues erschaffen, ist praktisch bedeutungslos, weil die kreativen Leistungen der meisten von uns ebenfalls kaum anders zu beschreiben sind. Durchbrüche wie Relativitätstheorie oder Entschlüsselung der DNA-Struktur kommen eben nicht jede Woche vor.
Natürlich sind viele KI-generierte Bilder Kitsch. Wie sollte es auch anders sein, wenn einerseits die Prompts Kitschiges verlangen und andererseits ein großer Teil des Trainingsmaterials aus menschengemachtem Kitsch besteht?
Aber so muss es nicht sein. Als ich mein Buch illustrierte, um die nicht immer einfachen Überlegungen zu visualisieren, war ich oft von der überzeugenden Simulation kreativer Leistungen der diversen KI-Modelle überrascht und begeistert. Etwa beim Thema „bildliche Negation“ über die Darstellung des Nichts (links), oder in dem Kapitel, in dem es um das erscheinende Bild auf der Basis eines materiellen Bildträgers (Leinwand, Fotopapier, Monitor …) geht, mit der geradezu genialen Umsetzung (rechts), welche die Doppelbedeutung des Begriffs in einer Weise interpretierte, die in meinem Prompt nicht einmal angedeutet gewesen war.
In Anlehnung an den berühmten Aufsatz von Walter Benjamin – und in Abgrenzung dazu – trägt mein Buch den Untertitel „Das Bild im Zeitalter seiner technischen Produ zierbarkeit“. Kunstwissenschaft und Kunstphilosophie haben im Laufe der Jahrhunderte ein breites Instrumentarium entwickelt, mit dem man auch KI-Bilder fassen kann: Appropriation, Kopie, Plagiat, Fälschung, Reproduktion … Wird KI mit gezielten Prompts und deren sukzessiver Verfeinerung als Werkzeug eingesetzt, bleibt der formulierende Mensch das (ästhetisch) verantwortliche Subjekt.
Was aber, wenn die KI einen Prompt gründlich missversteht oder es gar keinen (sinnvollen) gibt? Wenn die KI also unbeabsichtigt oder gezielt dazu aufgefordert wird, zu „halluzinieren“, ohne dass Anwender erraten könnten, welche Bildergebnisse ihnen nun geliefert werden? Es wäre schwer, belastbare Gründe dafür anzuführen, warum manche dieser Ergebnisse keine Kunstwerke sein können – wenn gleichzeitig farbbeschmierte Leinwände eines Zweijährigen für Summen verkauft werden, von denen viele akademisch ausgebildete Maler nur träumen können.
Auf dem Titel meines Buches (rechts) habe ich KI als eine zwiespältige Femme fatale porträtiert, geheimnisvoll schillernd zwischen hilfreich inspirierender Muse und gefährlicher Jobkillerin. Aber sie ist nicht das eine oder das andere – sie ist beides zugleich. Wie wird es weitergehen?
Beklagt wurde immer wieder „der Schein von kalter Glätte, von einer leichenhaften Eintönigkeit, die sich aus dem einförmigen, alles nivellierenden Wesen eines rein physikalischen Prozesses leicht erklären lässt“, die „seelenlose Maschinenkunst“. Diese Zitate betrafen allerdings nicht Bild-KI, ihre Autoren prophezeiten vor anderthalb Jahrhunderten das Ende der Kunst wegen der aufkommenden Fotografie.
Doch gemalt und gezeichnet wird noch immer, und wohl auch künftig, ebenso, wie wohl auch weiterhin fotografiert werden wird. Mit der KI gibt es nun allerdings eine ganz neue, nicht zu unterschätzende Konkurrenz … aber auch ein neuartiges und hilfreiches Werkzeug.

Hans D. Baumann: „KI-Bilder. Künstlich oder auch künstlerisch?“ Michael Imhof Verlag 2025, 288 Seiten, etwa 300 Abbildungen, 17 × 24 cm, Klappen-Broschur, 29,95 Euro